Palastvilla

49.7192488, 8.0417444
49.719100 8.041237

Route

Palastvilla

49.7192488, 8.0417444
Ca. 1. Jahrhundert n. Chr. bis 5. Jahrhundert n. Chr.

Im Nordwesten der Mauchenheimer Gemarkung, in der Flur „Neuwiese“ bzw. „An der Mühle“, wurde eine römische Palastvilla aus dem 1. bis 5. Jahrhundert gefunden. Sie ist nur etwa 50 Meter westlich der Straße von Mauchenheim nach Offenheim gelegen und durch einen nahen Parkplatz gut zu erreichen. Die Villa liegt günstig an den Ausläufern eines Südhanges ungefähr 200 Meter von der Selz entfernt. Außerdem liegt eine Quelle oberhalb des Siedlungsplatzes und läuft heute – modern eingefasst – östlich an der Fundstelle vorbei. Neben dem fruchtbaren Lößboden sind in der Umgebung auch Bodenschätze wie Kupfer- und Eisenerz und Quecksilbersulfid vorhanden. Letzterer, auch als Zinnober oder Minium bekannte Farbstoff, wurde bereits in der Antike verwendet. Zwar ist in Mauchenheim der antike Abbau von Zinnober nicht belegt, aber falls er abgebaut wurde, wäre damit der offensichtliche Reichtum der Besitzer der Palastvilla erklärbar.[1] Der Wohlstand des Villenbesitzers kann aber auch anders interpretiert werden: Spätestens mit der Ernennung von Mogontiacum (Mainz) zur Hauptstadt der Provinz Germania superior war die Stadt Lebensmittelpunkt vieler hochrangiger Beamter und Militärs, die ihre privaten Wohnsitze im Umland hatten. So ist beispielsweise durch den antiken Geschichtsschreiber Ammianus Marcellinus überliefert, dass zur Zeit des Kaisers Valentinian (346-375) der magister officiorum (Leiter der kaiserlichen Kanzlei) Remigius umfangreiche Besitztümer in der Region um Mainz hatte. Eine genaue Zuordnung der Villa in Mauchenheim zu dessen Besitz ist aber ohne epigraphische Beweise Spekulation.[2] Es ist aber durchaus wahrscheinlich, dass der Besitzer ein hochrangiger Beamter der römischen Verwaltung war. Die tatsächliche Bewirtschaftung des Hofes wurde wahrscheinlich durch einen Verwalter übernommen, der eigentliche Eigentümer wird selten vor Ort gewesen sein. Es ist anzunehmen, dass der hochrangige Beamte oder Militär ein Großgrundbesitzer war, der auch zahlreiche weitere Höfe in der Region besaß, die er verpachtete.[3]

Bereits in den 1960er Jahren wurden durch Feldbegehungen viele römische Funde entdeckt, weshalb man von einem Siedlungsort ausging. Erst die Luftbildarchäologie und Prospektionen der späten 1990er und der 2000er Jahre konnten den Grundriss der Palastvilla ermitteln, deren Fundamente komplett unter der Erde liegen.[4] Mit einer eigenen LEADER-Förderung der Ortsgemeinde Mauchenheim durch die EU wurde die Palastvilla mit immersiven Medien (Augmented und Virtual Reality) erlebbar gemacht. So entstand eine digitale 3D-Rekonstruktion von Außen- und Innenbereich mit 360-Grad-Panoramen. Diese Rekonstruktion fußt neben den wenigen Oberflächenfunden und den luftbildarchäologischen und geophysikalischen Befunden auf Vergleichen mit ähnlichen Gebäudestrukturen, die höhere Befundergebnisse liefern. Dinge wie Raumhöhen, Fensteranordnungen und Raumaufteilung bleiben fiktiv.[5] Die virtuellen Darstellungen des Gebäudes und des Lebens in der Palastvilla sind per App auf dem Smartphone oder dem Tablet abrufbar. Vor Ort kann man sich damit virtuell im Gebäude bewegen. Neben der Rekonstruktion des Gebäudes wird das Leben in der Villa mit vier virtuellen Charakteren, die von Schauspieler:innen dargestellt werden, vermittelt. Ein zusätzliches 3D-Druck-Modell der Palastvilla soll die Dimension des Gebäudes veranschaulichen. Außerdem soll der Grundriss der Palastvilla im Gelände mit Betonschwellen sichtbar und erlebbar gemacht werden.

Mit bloßem Auge sind die Überreste nur noch aus der Luft anhand von Bewuchsmerkmalen zu erkennen: Gruben im Boden sorgen für Auflockerung und eine erhöhte Wasserspeicherung des Bodens, was sich positiv auf den Bewuchs darüber auswirkt. Mauern im Boden sorgen für eine geringere Wasserspeicherung und einen negativen Effekt auf den Bewuchs.[6] Dadurch entstehen im Sommer helle Linien inmitten des sonst grünen Feldes, die sich bei genauerem Hinsehen als gut erhaltener Grundriss einer stattlichen römischen Wohnanlage erweisen.

Luftbild mit Grundriss der Palastvilla in Mauchenheim. (Patrick Jung)
Luftbild mit Grundriss der Palastvilla in Mauchenheim. (Patrick Jung)

Die überdurchschnittliche Größe des Hauptgebäudes und auch die Bauweise lassen auf einen enormen Reichtum des Besitzers schließen. Obwohl der wie der gestauchte Buchstabe H geformte Grundriss des Hauptgebäudes heute von einem modernen Feldweg durchschnitten wird, lassen sich die Maße gut feststellen.[7] Das Gebäude war etwa 100 Meter breit – also genauso breit wie die rheinseitige Gebäudefront des Kurfürstlichen Schlosses in Mainz[8] – und 25 tief (45 Meter an den Seitenflügeln) und hatte somit eine Grundfläche von rund 2.600 Quadratmetern. Im Erdgeschoss sind rund 25 Räume nachweisbar.[9] Nördlich des Gebäudes befand sich ein Wirtschaftsteil, der von Bediensteten/Sklaven genutzt wurde. Vergleichbare Palastvillen sind im westlichen Rheinhessen zwischen Alzey und Bingen bisher sechsmal belegt.[10] Die Funktion der Gebäude war auf rein repräsentative Zwecke ausgerichtet.[11] Das Hauptgebäude verfügte über einen Hof mit einer Grundfläche von rund 1.450 Quadratmetern, wodurch sich eine bebaute Fläche von 3.800 Quadratmetern annehmen lässt. Begrenzt wurde der Hof durch ein Wasserbecken oder einen Brunnen, der noch gut im Luftbild erkennbar ist. Auch die Anlage eines entweder offenen oder geschlossenen repräsentativen, umlaufenden Säulengang (Portikus) ist noch sichtbar, genauso wie die Eckrisalite.[12] Dadurch wird die Villa dem Bautypus der „Portikus-Risalit-Villa“ zugeordnet, der hier sehr verbreitet war.[13] Am westlichen Risalt schließt ein Portikus an, der in Richtung Selz führt, aber ab der Feldgrenze abbricht. Dieses Phänomen lässt sich entweder so erklären, dass hier bei der Luftbildaufnahme Pflanzen standen, die für Bewuchsmerkmale unempfindlich waren (etwa Feldfrüchte), oder dass die Struktur durch zu tiefes Pflügen im Lauf der Jahrhunderte zerstört wurde.[14] Aufgrund der repräsentativen Ausmaße kann in der Villa von Mauchenheim von einer reichen Ausstattung mit Wandmalerei, Mosaiken und Hypokaust-Anlagen ausgegangen werden. Aufgrund von Vergleichen mit anderen Palastvillen wie in Nennig oder Trier können eine Mehrgeschossigkeit des Gebäudes und doppelstöckige Eckrisalite vermutet werden.[15]

Die Innenaufteilung des Hauptgebäudes ist ebenfalls gut zu erkennen, aber ohne Ausgrabungen kann deren Funktion nicht bewiesen werden. Aufgrund von Vergleichen mit anderen Villen existieren aber Interpretationen. So wird ein Mittelraum im Haupttrakt mit repräsentativem Empfangsraum vermutet. Dort könnte man bei Ausgrabungen mit Mosaikverzierungen rechnen. Im westlichen Flügel und im westlichen Haupttrakt sind Kellerräume anzunehmen.[16]

Mittels Feldbegehungen konnten einige Fundstücke geborgen werden, die für eine Datierung der Nutzung der Villa hilfreich sind. Gefunden wurden Ziegelfragmente – hauptsächlich von der Dachdeckung, in geringem Maße Hypokaust-Ziegel und Keramik (sowohl Gebrauchskeramik als auch Terra Sigillata) und außerdem Bruchstücke von Fensterglas und Reste von Glasgefäßen und Buntglas. Teile der Keramik lassen sich aufgrund der Form in die 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts und den Beginn des 3. Jahrhunderts datieren. Eine präzisere Datierung ist aufgrund der geringen Fundanzahl nicht möglich. Die Forschung geht von einer Nutzung der Villa spätestens ab dem 2. Jahrhundert aus. Eine Siedlungsdauer bis nach 400 ist denkbar. Möglich ist auch eine Mehrphasigkeit, also ein stetiger Ausbau der Villa. Das ist aber anhand von Luftbildern nicht zu erkennen.[17]

Der Gutshof war von einer Mauer umgeben, die etwa 50 Meter südwestlich des Hauptgebäudes auf einer Länge von etwa 60 Metern und dann noch weitere 75 Meter durch Bewuchs etwas undeutlicher von Südwest nach Nordwest zu erkennen ist. Parallel zur Außenmauer des Hauptgebäudes orientiert schließt sich westlich ein moderner Feldweg an, der entweder bereits in der Antike angelegt wurde oder in der Frühen Neuzeit, als die Mauern der Villa noch zu sehen waren. Da sowohl der Feldweg als auch die Umfassungsmauer die moderne Flurbegrenzung bedingen, ist die zweite Theorie wahrscheinlicher und in der Frühen Neuzeit waren die Grundmauern der Villa noch oberirdisch zu sehen.[18]

Die Reste eines weiteren, kleineren Gutshofes wurden in den 1960er Jahren etwa 200 Meter östlich von Mauchenheim in der Flur „Gürtling“ nahe der Alzeyer Straße entdeckt.[19] Auch hier wurden zu Beginn der 2000er Jahre Luftbildarchäologie und Geoprospektionen durchgeführt. Der Grundriss der Villa Rustica ist im Luftbild nahezu vollständig vorhanden. Man wies insgesamt fünf Steingebäude nach, die mit einer Hofmauer umschlossen waren. Die Fläche des Hofes betrug etwa 2,6 Hektar. Das Hauptgebäude war in der für diese Region typischen Risalit-Bauweise erbaut.[20] Im Gegensatz zu der Anlage mit der Palastvilla war dieser Hof axial angelegt. Für Rheinhessen ist diese Grundanordnung untypisch und eher aus Raetien (grob das nördliche Alpenvorland zwischen Schwarzwald, Donau und Inn bis nach Nordtirol), der Belgica und Gallien bekannt.[21] Durch Funde datiert man die Nutzung der Anlage ins 2. bis 4. Jahrhundert.[22] Etwa 600 Meter entfernt wurde auf gleicher Gemarkung eine weitere Villa Rustica entdeckt.[23]

 

Rheinhessen weist eine hohe Siedlungsdichte mit villae rusticae auf. In nahezu jedem Ort der Region sind Fundstellen zu finden, die auf solche Gutshöfe hinweisen. Der Mainzer Archäologe Peter Haupt kartierte 2006 54 solcher Befunde allein für das 132 Quadratkilometer fassende Umland von Alzey.[24] Somit muss mindestens alle 2,5 Quadratkilometer ein Gutshof gestanden haben. Dieser Wert ist allerdings fiktiv, da die Gutshöfe nicht alle gleichzeitig existierten und es sich auch mehr oder weniger um Zufallsfunde handelt. Die Dichte der Besiedlung kann noch höher angenommen werden.[25] Stand 2013 waren insgesamt 345 Fundstellen von villae rusticae in ganz Rheinhessen bekannt. Bei diesen Gutshöfen handelte es sich um landwirtschaftliche Produktionsbetriebe, die auf Überproduktion angelegt waren, um nahegelegene Ballungszentren zu versorgen. Hauptabnehmer der Waren war das Legionslager in Mainz, aber auch die römischen Zivilsiedlungen des Umlandes in den heutigen Städten Alzey, Bingen, Worms, Bad Kreuznach oder im damaligen Buconica/Bonconica wurden beliefert. Die Größen der Betriebe gehen von wenigen hundert Quadratmetern bis zu mehreren Hektar Grundfläche. Die Bewirtschaftung in unserem Raum war hauptsächlich mit Äckern, Wiesen, Wald sowie Obst- und Gemüsegärten.[26] Die villae rusticae folgten in ihrem Aufbau weitgehend einem festen Schema. Das zentrale Hauptgebäude, meist in Stein oder Steinfachwerk erbaut, diente als Wohnhaus. Darum gruppierten sich die Wirtschaftsgebäude wie Ställe, Schuppen, Magazine und Wohngebäude für Bedienstete oder Sklaven. Diese waren meist aus Holz gebaut und sind deshalb heute nur sehr selten noch erhalten. Meist sind nur die Hauptgebäude gefunden und ergraben. Der Hof wurde nach außen mit einer steinernen Umfassungsmauer umgeben, die von Toren unterbrochen war. Meist hatte der eingezäunte Hof eine grob viereckige Form.[27] Je nach Anordnung der Haupt- und Nebengebäude wird in der Forschung zwischen den Typen „Streuhofanlagen“ und „Axialhofanlagen“ unterschieden. In Rheinhessen sind die Streuhofanlagen der häufigste Typ. Die Nebengebäude sind locker über das abgegrenzte Gelände verteilt. Axialhofanlagen sind eher aus Raetien, der Belgica und Gallien bekannt und lassen sich nochmal in längsaxial und queraxial unterscheiden. Die längsaxiale Form kommt häufiger vor. Hier liegt das Hauptgebäude an der Schmalseite der Umfassungsmauer und die Nebengebäude reihen sich an der Längsseite auf. In der queraxialen Form befindet sich das Hauptgebäude in der Mitte einer Längsseite und die Nebengebäude erstrecken sich quer vor diesem. Anhand der Ausstattung des Haupthauses können Rückschlüsse auf den Wohlstand des/der Besitzer:in getroffen werden. Bei einer enormen Größe und einem sehr repräsentativen Baustil spricht man von Palastvillen. Möglicherweise gehörten kleinere Gutshöfe der unmittelbaren Umgebung noch zu diesen Wirtschaftsbetrieben dazu. Auch räumlich getrennte Wirtschaftsflächen sind möglich. Vereinzelt wurden vergleichbare Komplexe im italischen Raum gefunden, aber sonst sind die Palastvillen ein eigener Wohntypus des ländlichen Raums in den Nordwestprovinzen.[28] Neben Mauchenheim lassen sich in dieser Region auch die römischen Anlagen in Erbes-Büdesheim und Offenheim als Palastvillen bezeichnen.[29]

Verfasser: Lutz Luckhaupt

[1] Weckmüller/Burger, S. 33. Siehe auch Fücker, S. 35.

[2] Weckmüller/Burger, S. 41. Siehe auch Haupt 2007, S. 78-79. Quelle: Ammianus Marcellinus. Römische Geschichte übersetzt von W. Seyfarth 21,4, 209.

[3] Gallé/Haupt, S. 40.

[4] Fücker, S. 35.

[5] Gallé/Haupt, S. 41.

[6] Haupt 2007, S. 77.

[7] Weckmüller/Burger, S. 38.

[8] Gallé/Haupt, S. 41.

[9] Ebenda.

[10] Haupt 2007, S. 77. Siehe auch Weckmüller/Burger, S. 38.

[11] Fücker, S. 36 und 38.

[12] Weckmüller/Burger, S. 38.

[13] Fücker, S. 36.

[14] Fücker, S. 37.

[15] Weckmüller/Burger, S. 41.

[16] Ebenda, S. 39.

[17] Ebenda, S. 39-40.

[18] Ebenda, S. 38-39.

[19] Faul, S. 9.

[20] Ebenda, S. 10-12.

[21] Ebenda, S. 13.

[22] Ebenda, S. 9-10.

[23] Ebenda, S. 14.

[24] Weckmüller/Burger, S. 40.

[25] Fücker, S. 35.

[26] Weckmüller/Burger, S. 29-30.

[27] Ebenda, S. 30-31.

[28] Ebenda, S. 31.

[29] Weckmüller/Burger, S. 40

Literatur

  • Faul, Matthias: Die Mauchenheimer Axial-Villa „Gürtling“. Ber. zur Arch. in Rheinhessen und Umgebung 2 (2009), S. 9-14.
  • Fücker, Sascha: Die Palastvilla von Mauchenheim. Elitäres Wohnen in Rheinhessen während der Römischen Kaiserzeit. Ber. zur Arch. in Rheinhessen und Umgebung 1 (2008), S, 35-38.
  • Gallé, Volker / Haupt, Peter: Digitales Erlebnis in Mauchenheim. Geschichten aus einer Palastvilla und ihrem Gutshof. Heimatjahrb. Landkr. Alzey-Worms 58 (2023), S. 40-43.
  • Haupt, Peter: Eine römische Palastvilla bei Mauchenheim. Heimatjahrb. Landkr. Alzey-Worms 42 (2007), S. 77-81.
  • Weckmüller, Sascha / Burger, Daniel: Die römische Palastvilla von Mauchenheim (Lkr. Alzey-Worms). Ber. zur Arch. in Reinhessen und Umgebung. Sonderband 1 (2013), S. 29-46.

Villa rustica

Landwirtschaftlicher Gutsbetrieb des römischen Imperiums. Eine Villa umfasste eine komplexe wirtschaftliche und soziale Organisation. In der Regel von einer Umfassungsmauer umgeben, präsentierte sie sich nach außen als geschlossene Einheit. Neben den Wohnbauten gab es in einer Villa eine Reihe verschiedenster Wirtschaftsbauten für landwirtschaftliche und handwerkliche Tätigkeiten. Weiter gehörte zu einer Villa ein Friedhof, in dem die Villenbewohner bestattet wurden. Er lag meistens außerhalb der Umfassungsmauer an einer Zufahrtsstraße.